EUROGUSS 2018

•••3••• Den Materialfehlern auf der Spur DIEMESSE im Gespräch mit Dr.-Ing. Christoph Bleicher, Fraunhofer LBF Herr Dr. Bleicher, warum lassen sich trotz gießtechnischer Tricks Materialeinschlüsse wie Schlacke – genannt Dross – beim Guss oft nicht vermeiden? Dross ist eine Form von Werkstoff- ungänzen, die insbesondere bei dickwandigen Bauteilen aus Guss- eisen mit Kugelgraphit immer wie- der auftritt und nicht zwingend mit Schlacke zu vergleichen ist. Die Schlacke wird nämlich meist bewusst vor dem Abguss erzeugt, um etwa Verunreinigungen der Schmelze vor dem Abguss entfer- nen zu können. Der Dross besteht dabei im We- sentlichen aus Magnesium, Schwefel und Silizium und bildet sich im Beisein von Sauerstoff und bei hohen Wanddicken mit langen Erstarrungszeiten. Und dort liegt auch die Herausforderung für den Gießer, nämlich einen möglichst geringen Sauerstoffgehalt in der Schmelze zu haben. Das bedeutet, im Zweifelsfall muss der Gießer sein Bauteil im Vakuum abgießen, was natürlich bei Bauteilmassen bis 320 Tonnen absolut unmög- lich ist. Der Sauerstoffanteil wird zwar so weit wie möglich redu- ziert, indem entgast oder mit ge- ringer Turbulenz gegossen wird, aber auch Verunreinigungen der Gießeinrichtung oder der Einsatz- stoffe können zur Drossbildung führen, was nicht immer zu ver- meiden ist. Welche Probleme können solche Materialfehler verursachen? Das wesentliche Problem bei vor- handenem Dross ist, dass dieser die lokale Werkstofffestigkeit, Duktilität und Betriebsfestigkeit teilweise stark reduziert und das Bauteil letztlich versagen kann, bevor es die gewünschte Lebens- dauer erreicht. Bisher gibt es noch keine Klassifizie- rungsmöglichkeiten für die Ausprägungsform des Dros- ses am Bauteil mithilfe der zerstörungsfreien Prüfung sowie Korrelationen zu loka- len Bauteilfestigkeitskenn- werten wie der Schwing- festigkeit. Es liegt entweder Dross vor oder nicht. Dabei weiß man durchaus, dass es zum Beispiel auf mikrostruk- tureller Ebene unterschiedli- che Ausprägungsformen von Dross gibt. Für die Gie- ßer bedeutet die Unkennt- nis des genauen Werkstoff- festigkeitsverhaltens von Dross, dass sie diesen sehr aufwendig abarbeiten oder das Bauteil als Ausschuss deklarieren müssen. Das kostet Geld, Zeit und Ressourcen. Im BMWi-Projekt „unverDROSSen“ arbeiten Sie daran, diese Werkstoff- ungänzen zu detektieren und zu analysieren. Wie gelingt dies? Wir haben uns zunächst einmal damit beschäftigt, unterschiedli- che zerstörungsfreie Prüfverfah- ren wie die Ultraschallprüfung oder mikromagnetische Verfah- ren dahin gehend zu testen, ob und wie genau diese Dross de- tektieren können. Dabei haben wir einerseits festgestellt, dass manche Verfahren auch im Labor- maßstab nicht für die Drossdetek- tion einsetzbar sind. Andererseits konnten wir bisher zeigen, dass mit speziellen Ultraschallmetho- den der Dross viel feiner in seiner Struktur aufgelöst und eine De- tektion von Dross auch von der Drossseite her erfolgen kann, dies war bisher nicht möglich. Auch lässt sich mit Ultraschall eine gu- te Verteilung des Drosses in Tie- fenrichtung im Bauteil aufzeigen. Man erhält so eine dreidimensio- nale Vorstellung des mit Dross befallenen Volumens am Bauteil. Darüber hinaus führen wir an Pro- bekörpern auch Röntgen-Compu- tertomographie-Untersuchungen durch. Diese lassen sich zwar momentan am Großgussbauteil aufgrund technischer Randbe- dingungen nicht durchfüh- ren, sie geben uns aber in kleinem Maßstab einen Ein- druck davon, wie der Dross aufgebaut ist und welche Dichteverteilung er besitzt. Dabei erscheint uns insbe- sondere die Dichte ein guter Indikator zu sein, um dar- aus Festigkeitskennwerte wie die Werkstoffsteifigkeit ableiten zu können. Finden wir dann Möglichkeiten, bei- spielsweise die Dichte und die Verteilung der Drossaus- prägungen mit gängigen, zerstörungsfreien Prüfme- thoden in der Gießerei auch am Bauteil zu detektieren, können wir dem Gießer und Konstrukteur nach dem Abguss lokale Festigkeitskennwerte für einen Bauteillebensdauernach- weis zur Verfügung stellen. Warum setzen Sie dabei auf einen Methodenmix aus mechanisierter Ultraschallprüfung und magneti- scher/elektromagnetischer Prüfung? Die zerstörungsfreie Prüfung bie- tet eine Vielzahl an Methoden, doch nicht alle sind immer und an jedem Bauteil einsetzbar. Da- her versuchen wir redundante Möglichkeiten zu erarbeiten, um ein Verfahren für die Drossklassi- fizierung einzusetzen, bei der das andere Verfahren etwa aufgrund geometrischer Randbedingungen nicht anwendbar ist. Das erlaubt uns, bauteilangepasst die maxi- mal mögliche Eigenschaftsinfor- mation aus dem Dross herauszu- holen. Außerdem gehen Ultraschall- und die Magnetpulverprüfung völ- lig unterschiedlich vor. Während die Erste einen Nachweis im Bau- teilvolumen ermöglicht, ist die Magnetpulverprüfung ein Nach- weismittel für die Oberfläche. Die Anwendung beider Verfahren erlaubt – so hoffen wir – am En- de des Vorhabens die Ermittlung der Drossstruktur an der Oberflä- che mit der Magnetpulverprüfung und die Bestimmung der Tiefen- ausdehnung des Drosses mittels Ultraschall. Beide Informationen sind für den Festigkeits- bezie- hungsweise Lebensdauernach- weis und für die Entscheidung, ob das Bauteil nachgearbeitet wer- den muss, unerlässlich. Sie erarbeiten ein experimentell abgesichertes Dross-Festigkeits- klassen-System. Was geben Sie da- mit Herstellern und Anwendern an die Hand? Ein Ziel ist es, den am Entste- hungsprozess eines Gussbauteils beteiligten Parteien eine Metho- de an die Hand zu geben, wie das Bauteil zerstörungsfrei zu unter- suchen ist und wie anschließend die gefundenen Drossanzeigen zu beurteilen sind. Hier hilft uns das Dross-Festigkeitsklassen-System, das gefundene Anzeigen in Festig- keitskennwerte quasi übersetzt. Das bietet dem Konstrukteur die Chance, die lokale Bauteillebens- dauer rechnerisch zu überprüfen und zu entscheiden, ob das Bau- teil wirklich Ausschuss ist, nach- gearbeitet werden muss oder voll zum Einsatz kommen kann. Ein Ausblick: Welche Vorteile er- geben sich künftig durch „unver- DROSSen“ für die Industrie? Die Reduktion von Ausschuss und die Zeit zur Beurteilung des mit Dross behafteten Bauteils. Wir hoffen, dass wir damit einen großen Beitrag für die Gießereien liefern können, damit Großguss- bauteile aus Gusseisen mit Ku- gelgraphit noch effizienter und schneller produziert und einge- setzt werden können. Weitere Informationen: https:// www.lbf.fraunhofer.de/guss Materialeinschlüsse wie Dross lassen sich beim Guss oft nicht vermeiden – sie gelten als un- erwünscht, da sie die Belast- barkeit von Komponenten aus Gusseisen mit Kugelgraphit deutlich herabsetzen. Forscher arbeiten derzeit daran, solche Werkstoffungänzen zu de- tektieren und zu analysieren. DIE MESSE sprach darüber mit Dr. Christoph Bleicher vom Fraunhofer LBF. Dr.-Ing. Christoph Bleicher, Abteilung Werkstoffe und Bauteile: Bauteilgebundenes Werkstoffverhalten, Fraunhofer LBF Foto: Fraunhofer LBF Dross in dickwandigem Gusseisen mit Kugelgraphit: Gussoberfläche nach fluoreszierender Magnetpulver-Prüfung Foto: Fraunhofer LBF Interview

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